Der Schlangenbach

Woher er kommt? Fast keiner fragt ihm nach,
er ist ja nur der kleine Schlangenbach.
Der Wiesen Freund, der Kinder Kamerad,
folgt tänzelnd er dem blumenhaften Pfad.
Umschmeichelt nackte Fräulein, springt und tollt
und windet sich durch lauter Grün und Gold.
Doch plötzlich tritt er in das Dunkel ein,
muß Räder drehn und Menschen dienstbar sein.
Und jammert lichtberaubt, tief unterm Stein,
nach Weidengrün und warmem Sonnenschein.
Von Öl und Unrat starrt sein klares Kleid,
eng eingezwängt in Fron und Dunkelheit.
Und gibt die laute Stadt ihn endlich frei,
ist's mit dem ganzen Schlangenbach vorbei.
Die flinke Iller nimmt ihn freundlich auf
und trägt zur Donau ihn im raschen Lauf.
Vorbei an Stadt und Burg und Schloß und Dom,
kommt er zum Meere, wie der größte Strom.
Sein letztes Ziel? Was auch dein Herz ersinnt,
es bleibt geheim, wie deines, Menschenkind.

Else Eberhard-Schobacher

Else Eberhard-Schobacher

Eberhard-Schobacher wurde 1887 in Passau geboren. Seit ihrer Jugendzeit lebte sie in Kempten und war ein wesentlicher Bestandteil der Kemptener Gesellschaft ihrer Zeit und erregte Aufsehen mit ihren schriftstellerischen Aktivitäten.

1922 heiratete sie den Apotheker Ernst Eberhard und zog in das historische Haubenschloss-Gebäude ein. Dort schrieb sie ihre Geschichten und Theaterstücke. Garten und Haus wurden bei einem alliierten Bombenangriff stark beschädigt, die Familie überlebte.
Nach dem Luftangriff auf das Haubenschloß stellte die Heimatdichterin Else Eberhard-Schobacher eine Gedenktafel mit Friedensbotschaft in ihrem Garten auf, die bis heute erhalten ist.

 Am 9. März 1955 starb die Dichterin an den Folgen eines Verkehrsunfalls. An sie erinnern eine Tafel an der Nordseite des Haubenschlosses und ihr Grabstein, der 1997 im Haubenschlosspark westlich des Allgäu-Gymnasiums an dem nach ihr benannten Weg aufgestellt wurde.

© Siegfried Neukamm