Kempten Geschichte

Ausführungen des Verfassers zu der Garnison Kempten wurden von mir weggelassen.

Wappen

Alt-Kempten

Geschichtliche

Streifzüge zur Förderung der Heimatkunde

von

M. Kellenberger

rechtsk. Magistratsrat

1913

Vorwort

Gegenwärtiger kurz gedrängter Auszug aus der Geschichte der Stadt Kempten verdankt seine Entstehung einer Anregung des Herrn k. Majors und Bataillons-Kommandeurs Max Helbling hier, der eine kurze Darstellung der Geschichte der Stadt Kempten wünschte, um sie den Mannschaften des seiner Obhut anvertrauten Bataillons zur Weckung des Interesses an ihre Garnisonsstadt und zur Stärkung der Anhänglichkeit an das Bataillon und an den Ort, an dem sie die Leiden und Freuden des Militärdienstes miteinander teilten, in die Hand zu geben.

Ihm sei diese kleine Arbeit daher mit dem Ausdruck besonderer Hochachtung und Wertschätzung gewidmet.

Aber auch in der Schule würde ich das Büchlein, wenn es dazu für geeignet befunden wird, gerne sehen.

Der Zusammenstellung liegt der Hauptsache nach Förderreuthers „Überblick über die Stadtgeschichte", in dem Buche "Die Stadt Kempten und ihre Umgebung", Jos. Kösel, Kempten 1910, zugrunde.

Die stofflichen Angaben für die Darstellung der Garnisonsverhältnisse der Stadt Kempten habe ich durch die gütige Vermittlung des Herrn Majors Helbling von dem Vorstande des k. Kriegsarchivs in München, Herrn k. Generalmajor z. D. Staudinger, erhalten. Ihm möchte ich an dieser Stelle für die freundliche Unterstützung, die er mir damit zuteil werden ließ, den gebührenden Dank aussprechen.

Kempten, 1. März 1913.

M. Kellenberger.

1 Ursprung der Stadt Kempten

Der Ursprung der Stadt Kempten ist in Dunkel gehüllt. Die erste Nachricht, die von ihr zu uns gelangte, bezeichnet sie bereits als Hauptort der vor 2.000 Jahren in unserer Gegend wohnenden Estionen, eines Zweiges der Vindelizier. Ihr Name war Cambodunum. Über den Platz, wo sie stand, können wir uns nur in Vermutungen ergehen. Unser geschichtliches Wissen beginnt erst mit der Römerstadt Combodunum, die am Kreuzungspunkt zweier wichtiger römischer Straßen, der von Italien kommenden und über den Fern, Reutte und Nesselwang an die Donau ziehenden Via Claudia und der von Gallien (dem heutigen Frankreich) ausgehenden und über Bregenz und Isny nach Augsburg und Salzburg führenden älteren Straße, entstanden war und auf dem Lindenbergerösch zwischen Ober- und Unterlindenberg lag. Hier spielte sie als Handels- und Warenumschlagsplatz bis zum Aufblühen Augsburgs, das später vorwiegend den Verkehr zwischen Italien und den römischen Niederlassungen nördlich der Alpen vermittelte, eine wichtige Rolle, und erst in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. wurde sie verlassen, als die römische Grenzbefestigung (der Limes) nördlich der Donau gefallen war und die Alamannen (Schwaben) immer tiefer in die römischen Provinzen eindrangen. Denn die unbefestigte Stadt auf dem Lindenberge gewährte gegen den Ansturm der Feinde keinen Schutz. Aber schon zuvor hatte das Fallen des Limes und der Ansturm und das Nachdrängen der Germanen die zurückweichenden Römer gezwungen, landeinwärts neue befestigte Stützpunkte zur Verteidigung des noch restigen Besitzes anzulegen, und auf diesen Umstand wird es zurückzuführen sein, dass die Römer im dritten Jahrhundert n. Chr., wo eben ihre Herrschaft an der Donau bereits wankend zu werden begann oder schon erschüttert war, ein befestigtes Lager am Fuße der Burghalde errichteten. In den Schutz dieses Lagers zog sich vermutlich aber auch die Bevölkerung zurück, die in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. die Stadt auf dem Lindenberge verließ, und an dieses römische Lager an der Burghalde knüpft aller Wahrscheinlichkeit nach auch die spätere germanische Siedelung und das heutige Kempten an.

2 Einführung des Christentums; Klostergründung

Im 8. Jahrhundert, als die Römer längst aus dem Allgäu sich zurückgezogen hatten, erschienen in unserer Gegen die Mönche Magnus und Theodor als Sendboten des Klosters St. Gallen und bekehrten die hier wohnenden Alamannen zum Christentum. Theodor gründete in Kempten eine Zelle, der alsbald ein selbständiges Kloster folgte, und dieses wurde unter Zustimmung des Abtes von St. Gallen im Jahre 752 zum Stifte erhoben. Sein erster Abt war der Mönch Audogar. Dem neuen Stifte wurden von der Kaiserin Hildegardis, der Gemahlin Karls des Großen, namhafte Schenkungen - darunter auch die Burghalde -zugewendet. Hildegardis wurde deshalb mit Recht als zweite Begründerin des Stiftes Kempten verehrt. Ihr Bildnis schmückte das stiftische Wappen bis zur Aufhebung des Klosters.

3 Lage des Klosters.

Wo ursprünglich das Kloster des Stiftes Kempten stand, ist mit Sicherheit nicht zu ermitteln. Vermutlich lag es in der Nähe der heutigen St. Mangkirche. Im 11. oder 12. Jahrhundert wurde es in die Neustadt verlegt, und dem neuen Kloster folgte die neue Stiftskirche, die da errichtet wurde, wo heute der östliche Teil des Residenzgebäudes steht. Daneben, im heutigen Kasernhofe lag der Friedhof.

4 Entwicklung der Stadt.

Der sogenannte große Kauf

Neben dem Stifte entwickelte sich in allmählichem Werden auch die Stadt. Diese stand ursprünglich unter dem Schutze eines königlichen Vogtes, später aber, in der Zeit der großen schwäbischen Kaiser, kam sie ins Eigentum der Hohenstaufen, und nach deren Untergang waren die stiftischen Äbte, die ohnehin schon mancherlei Rechte und Besitzungen in der Stadt hatten, bestrebt, sie vollständig unter die Herrschaft des Stiftes zu bringen. Dem widersetzten sich die Bürger, und dies entfachte jene jahrhundertlangen Kämpfe, die viel Unerquickliches im Gefolge hatten, in deren Verlauf die Bürger im Jahre 1363 die Burghalde erstürmten und zerstörten, und die erst zu Ende gingen, als sich die Stadt unter dem Abte Sebastian von Breitenstein, der durch den Bauernkrieg in harte Bedrängnis geraten war, im Jahre 1525 vom Stifte um die Summe von 32.000 fl. loszukaufen vermochte. Durch diesen sogenannten „großen Kauf", mit dem die Bürger auch in den Besitz der Burghalde gelangten, wurde die Stadt erst in Wirklichkeit eine freie Reichsstadt. Bürgermeister der Stadt war damals Gordian Seuter.

5 Lage der Stadt und Stadtbild.

Kempten nahm in jener Zeit den Raum ein, den wir heute mit "Altstadt" bezeichnen. Es war mit einer starken Mauer umgeben, die ihrerseits von mächtigen Toren und Türmen überragt war. Reste der alten Stadtmauer kann man noch sehen am Aufgang vom Freudentale zur Burghalde, hinter dem Parkrestaurant, hinter der Diskonto- und Wechselbank, an der Nordseite der Burghaldegasse, um Pfeilergraben und neben dem Eichamte. Das schönste und bedeutsamste Tor war das Klostertor, das ungefähr da sich erhob, wo jetzt das Haus M85 des Uhrmachermeisters Bachschmid steht. Das Fischertor vermittelte den Einlass in die Stadt von Süden her und stand in der Nähe der Wirtschaft zum Deutschen Kaiser. Das Neustätter oder Waisentor beim prot. Waisenhause öffnete die Stadt gegen das Freudental und den Freudenberg, und das Illertor diente als Verkehrspforte nach Osten hin gegen die Illerbrücke. Außerdem vermittelten Zugänge zur Stadt das Mühltor, das ungefähr gegenüber dem städtischen Elektrizitätswerke stand und etwas nördlich von diesem Tore das Radbadtor, dann in der Illervorstadt das unweit des sogenannten „Brotkorbs" gelegene Siechentor und das Steinrinnentor am heutigen Steinrinnenwege, der zur Höhe führt, und endlich in der Nähe der städtischen Gasanstalt das Schwärzlinstor. Nicht weit vom Klostertore entfernt, in der Nähe des jetzigen Städtischen Schlachthauses, stand der Malzmühlenturm, weiter östlich, unweit der jetzigen Zündholzfabrik, der Heidenturm, und ungefähr in der Gegend des heutigen Eichamtes das Katzentörle mit dem Pfeilerturm. Zwischen letzterem und dem Heidenturm, an der Stadtmauer, lag der Pfeilergraben, so benannt, weil in ihm die Pfeilschützen (Pfeiler) ihre Zielstatt hatten. Auf der Südseite des Klostertores, ungefähr da, wo heute das Realschulgebäude steht, erhob sich der Rieggerturm und etwas südlich im früheren Hasengarten (jetzt Garten des Parkrestaurants), wo die Stadtmauer nach Osten umbog, stand ein kräftiger Eckturm. Vorhanden ist noch der alte Burghaldenturm.

6 Wirtschaftliche Verhältnisse

In Handel und gewerblicher Betriebsamkeit stand Kempten hinter anderen kleineren Reichsstädten kaum zurück. Rege Handelsbeziehungen unterhielt es nicht nur mit anderen deutschen Städten, sondern namentlich auch mit dem Auslande: mit Tirol, Italien, Südfrankreich, Spanien, Portugal und Flandern. Von besonderer Bedeutung war aber seine Leinenweberei, die jährlich 200.000 bis 300.000 Ballen Leinwand nach Italien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und der Levante geliefert haben soll.

7 Einführung der Reformation

Im 16. Jahrhundert hielt, wie in den meisten deutschen Reichsstädten, auch in Kempten die Reformation ihren Einzug. Für sie wirkten besonders der Prediger Matthias Waibel und der Magister Jakob Haistung.

8 Der Bauernkrieg und 30jährige Krieg

Schweres Ungemach brachten im gleichen und in den folgenden Jahrhunderten über Stift und Stadt Kempten kriegerische Ereignisse.
Schon der Bauernkrieg war für das Stift verhängnisvoll. Im Jahre 1525 bemächtigten sich die aufrührerischen Bauern des Klosters, plünderten es gründlich aus, vernichteten die wertvolle stiftische Bibliothek samt den Urkunden und machten selbst vor den Altären und Heiligtümern des Gotteshauses nicht halt.

Noch schlimmer aber hausten im 30jährigen Kriege im Stifte die Schweden. Das Kloster ward 1632 neuerdings der Plünderung preisgegeben und schließlich in Brand gesteckt, so dass es samt der Kirche ein Raub der Flammen wurde. Aber auch die Reichsstadt hatte unter den kriegerischen Wirren schwer zu leiden. Die Kaiserlichen hausten in der Stadt, nachdem sie unter Oberst König im Jahre 1633 die Schweden aus ihr vertrieben hatten, entsetzlich. 1.600 Menschen, darunter Bürgermeister Zacharias Jenisch, sollen zugrunde gegangen sein. Drei Tage wütete das Feuer in der Stadt, und den Schaden, den die Bürger an Hab und Gut erlitten, schätzt man auf 4 Tonnen Gold. Dazu kamen schwere Kontributionen, die der überwundenen Stadt auferlegt wurden, Und als einige Zeit später die Schweden, geführt von General Horn, neuerdings vor den Toren der Stadt erschienen, erklärte der kaiserliche Kommandant den Ratsherren der Stadt, er werde, wenn sie nicht für den Abzug der Schweden Sorge trügen, die ganze Stadt niederbrennen, und zur Bekräftigung dieser Drohung ließ er in der Tat die Illervorstadt, die damals 72 Häuser zählte, durch Feuer vernichten, Daraufhin zogen die Schweden zwar ab, kamen aber unter Horn im folgenden Jahre (1634) wieder zurück, nahmen die Stadt ein und zwangen die kaiserliche Besatzung auf der Burghalde zur Kapitulation. Wenn nun auch die Schweden nicht lange blieben und noch im gleichen Jahre die Stadt räumten, so erfreuten sich die Bürger doch nur kurze Zeit der Ruhe. Denn alsbald hielten neuerdings kaiserliche Truppen ihren Einzug in der Stadt, und zu allem Übermaß gesellte sich zu den Schrecken des Krieges im Jahre 1635 eine schwere Hungersnot und die Geisel der Pest, der in der Stadt allein 3.000 Menschen erlegen sein sollen.

9 Bau der St. Lorenzkirche und der Residenz

Als endlich die Schrecknisse des Krieges gewichen und Friede wieder eingezogen war ins Land, ging Fürstabt Giel von Gielsberg im Jahre 1651 daran, für den im Jahre 1632 durch die Schweden zerstörten Münster durch Errichtung einer neuen Kirche auf dem St. Lorenzberge, der heutigen St. Lorenzkirche, Ersatz zu schaffen, und unter dem gleichen Abte folgte im Jahre 1655 die Inangriffnahme des Klosterneubaues, der heutigen Residenz. Die Bauleitung, die, was den Kirchenbau anlangt, anfänglich dem Baumeister Michael Beer aus Au im Bregenzerwalde anvertraut war, lag der Hauptsache nach in den Händen des Baumeisters Johann Serro aus Neuburg a. D.

10Entstehung der Neustadt

Allmählich siedelte sich um das neue Kloster auch eine bürgerliche Niederlassung an, für die der Fürstabt Rupert von Bodman 1712 vom Kaiser das Stadtrecht erwirkte. Diese Niederlassung entwickelte sich als Stiftsstadt Kempten selbständig neben der Reichsstadt Kempten, und dies Verhältnis dauerte fort, bis im Jahre 1811 beide Städte zu einem einzigen Gemeinwesen verschmolzen wurden.

11 Ausstattung des Stiftes und der Reichsstadt mit Souveränitätsrechten

Staatsrechtlich und politisch von Bedeutung war es, dass die Fürstäbte durch den Westfälischen Frieden ihren Landbesitz die Souveränität erlangten, und dass auch die Reichsstadt Kempten seit 1648 in die Reihe der souveränen Staatsgebilde eingetreten war. Doch vermochte dieser Umstand die Wunden, die der 30jährigeKrieg geschlagen hatte, insbesonders was die Stadt betrifft, nicht zu heilen, und dies zwar umso weniger, als die sogenannten Franzosenkriege zu Anfang des 18. Jahrhunderts neues Leid und Ungemach über Stadt und Land brachten.

12 Die Franzosenkriege

Mit den Heeren Ludwigs XIV., die im spanischen Erbfolgekriege nach Süddeutschland gekommen waren, hatte sich Kurfürst Max Emanuel von Bayern in der Nähe von Memmingen vereinigt. Gegen sie rückten die Kaiserlichen heran, die bei Dietmannsried Stellung nahmen. Aber noch ehe es zum Kampfe kam, wandten sich die Kaiserlichen südwärts und gegen den Schwarzwald, ließen jedoch in Kempten eine Besatzung von 600 Mann zurück. Demzufolge ging das französisch-bayerische Heer gegen Kempten vor, beschoss die Stadt und zwang endlich am 14. November 1703 den kaiserlichen Befehlshaber, der mit seinen Truppen freien Abzug erhielt, zur Übergabe. Hierbei wurde das Stift abermals geplündert und in der Folge die Stadt durch Einquartierung, Frondienste und Kontributionen schwer heimgesucht. Aber schon im folgenden Jahre erschienen die Kaiserlichen unter dem Hauptmann Renner neuerdings vor der Stadt, drangen in sie ein und zwangen die Franzosen, die sich auf der Burghalde verschanzt hatten, nach mehrtägiger Beschießung ihres Bollwerks zur Kapitulation. Von da an, und nachdem sie im Jahre 1705 kaiserlichen Befehl vollends entfestigt worden war, hatte die Burghalde ihre Rolle als militärischer Stützpunkt ausgespielt.

13 Der Kampf gegen die französische Republik, die Napoleonischen Kriege.

Nun trat in den kriegerischen Ereignissen bis zum Ende des 18.Jahrh. eine Pause ein. Aber der Kampf Deutschlands gegen die junge französische Republik, aus dem die Napoleonischen Kriege sich entwickelten, brachten für Stadt und Land noch drückendere und schwerere Not, als sie die kriegerischen Verwickelungen zu Anfang des 18. Jahrhunderts im Gefolge hatten. Schon die Kämpfe der Österreicher und der unter dem Namen Condéer bekannten königstreuen französischen Emigranten mit den republikanischen französischen Truppen unter Tharreau in den Straßen der Stadt, im Kemptener Walde und bei Durach im Jahre 1796, die mit dem Rückzug der Franzosen über Martinszell und Immenstadt endigten, fügten der Stadt und den von ihnen betroffenen ländlichen Bezirken schweren Schaden zu. Die Kriegskosten, die der Stadt Kempten bis dahin erwachsen waren, betrugen nach dem von ihr im Dezember 1799 bei einer Kreisversammlung in Augsburg vorgelegten Ausweise die fast unglaubliche Summe von 413.874 fl. Die Kämpfe mit den Tharreau'schen Streitkräften bildeten aber nur den Anfang größerer Drangsal. Denn im Jahre 1800 kehrten die Franzosen abermals ins Allgäu zurück, besetzten die Stadt Kempten und bezogen Lager bei Durach und Haslach. An letzteres erinnert noch heute ein Wandgemälde am sogenannten Franzosenhäusle in Haslach. Dabei kam es wiederholt zu Plänkeleien mit den im Süden und Südosten stehenden österreichischen Truppen, und das schon ganz verarmte Kempten hatte durch Kontributionen, die ihm der Feind auferlegte, und durch böswillige Schädigungen, die es von den feindlichen Truppen hinnehmen musste, schwer zu leiden, bis die Franzosen endlich am 15. April 1801 die Gegend verließen.

14 Aufstand der Tiroler und Vorarlberger

Aber der Friede dauerte nicht lange. Schon im Jahre 1809 erschienen nun die Tiroler und Vorarlberger, um die ihnen von Napoleon aufgezwungene bayerische Herrschaft abzuschütteln, wobei Major Teimer mit 2.500 Mann, meist Bregenzerwäldlern, in die Stadt einrückte und dieselbe brandschatzte. Den Eindringlingen traten französische, bayerische, und württembergische Truppen entgegen. Dies führte im Südwesten der Stadt auf dem Gelände zwischen Aich und Marienberg wiederholt zu Kämpfen mit den Vorarlbergern, bis letztere zum endgültigen Rückzuge gezwungen wurden. Das Andenken an diese Kämpfe bewahrt noch heute das sogenannte Vorarlberger Grab im Schwander Holz südlich von Steinberg.

15 Vereinigung des Stiftes und der Stadt mit Bayern

Inzwischen hatte sich ein Ereignis vollzogen, das politisch und wirtschaftlich für Stift und Stadt von größtem Einfluss wurde: beide waren im Jahre 1802 dem Kurfürstentum Bayern einverleibt worden. Der letzte Fürstabt des Stiftes Kempten hieß Kastolus Freiherr von Reichlin-Mehdegg, der letzte Bürgermeister der Reichsstadt Kempten Johann Jakob von Jenisch. In der Zeit von 1808 bis zur Vereinigung des Illerkreises mit dem Donaukreise im Jahre 1817 war Kempten Kreishauptstadt.

16 Bau- und Kunstdenkmäler

Von dem, was das Mittelalter und die neue Zeit an Kunst- und Baudenkmälern geschaffen hat, ist im Laufe der Zeit manches zugrunde gegangen. Besonders aber ist es zu beklagen, dass die schönen Stadttore und malerischen Türme, die das Stadtbild ungemein reizvoll und abwechslungsreich gestalteten, einer übertriebenen Sorge für vermeintliche oder wirkliche Verkehrsbedürfnisse späterer Zeiten und nicht zuletzt einer unverständigen Neuerungssucht und Missachtung des Alten zum Opfer fielen. Doch blieb noch manches Schöne und Wertvolle aus Alt-Kempten erhalten, was nachstehend noch kurz berührt werden soll:

16.1 St. Lorenzkirche

Die St. Lorenzkirche, erbaut in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts im italienischen Barockstile (Jesuitenstile). Sie schaut, vom Hügel, auf dem sie steht, aus der Umgebung wirksam herausgehoben, mit ihrer mächtigen Kuppel und ihren zwei Lorenzkircheragenden, schön in harmonischem Gleichmaß gestalteten Türmen heiter und würdevoll zugleich weit ins Land hinaus. In ihr besitzt die Stadt ein kunstgeschichtlich bedeutsames und eindrucksvolles Bauwerk, das, von den umliegenden Höhen betrachtet, dem Stadtbild etwas rhythmisch Anmutiges und Imponierendes verleiht.

St. Mangkirche

St. Mangkirche

Die St. Mangkirche, deren Bau im Jahre 1426 begonnen wurde, besitzt von Osten gesehen besondere malerische Reize. Ihre ursprüngliche Anlage trägt die Formen der Spätgotik. Im Jahre 1767 wurde sie vollständig renoviert und dem Geiste der Zeit entsprechend im Innern mit den noch vorhandenen außerordentlich schönen Rokoko-Stuckornamenten geschmückt. Ihre letzte Renovierung im Äußern stammt aus dem Jahre 1911. Sie erfolgte nach den Plänen und unter der Leitung des k. Professors Otto Schulz in Nürnberg. Im übrigen enthält die Kirche außer einem sehenswerten, in spätgotischen Formen gehaltenen, nach einem alten Rothenburger Vorbilde von Vogt in Memmingen in Holz geschnitzten Altare wertvolle Gemälde von dem Kemptener Maler Hau.

16.3 Keckkapelle

Die Keckkapelle. Dieses kunstgeschichtlich äußerst interessante und außerordentlich malerisch gelegene Kirchlein reicht mit seinem ältesten Teile vermutlich bis ins 13. Jahrhundert zurück. Der Chor stammt aller Keckkapelle Wahrscheinlichkeit nach aus dem 14. Jahrhundert Die Verlängerung des Hauptschiffes bis zur westlichen Kirchhofmauer soll im 16. Jahrhundert erfolgt sein. Das Innere des Chores zeigt hochinteressante gotische Bemalung aus der Zeit um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Erhaltung und Wiederinstandsetzung des Kirchleins dankt man der Heimatliebe des Großkaufmanns und Kaiserlich Deutschen Konsuls Leonhard Kluftinger in Bologna und dessen Anhänglichkeit an seine Vaterstadt.

6.4 Residenzgebäude

Das ausgedehnte Residenzgebäude, ehemals Sitz der Fürstäbte des Stiftes Kempten, wurde erbaut um dieselbe Zeit, wie die St. Lorenzkirche, also ebenfalls in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sehenswert und von hervorragender Residenz Schönheit sind die ehemaligen, teilweise in den Formen des französischen Barocks und teilweise im Rokokostile ausgeschmückten Prunkgemächer und Repräsentationsräume der Fürstäbte im 2. Stockwerke des vorderen Traktes, die dermalen größtenteils dem k. Landgerichte und der k. Staatsanwaltschaft als Amtsräume dienen.

Rathaus

Das Rathaus, erbaut im 15. Jahrhundert in den damals üblichen spätgotischen Formen, erhielt im 16. Jahrhundert das Kleid der Renaissance. Sein dermaliges Äußere stammt aus den Jahren 1874- 1876. Der Rathaussaal ist Rathaus sehenswert. Ihn schmückt außer einer schönen Stuckdecke im Renaissancestile ein von dem k. Akademieprofessor Adolf Hengeler in München, einem Sohne der Stadt Kempten, gefertigtes, hervorragend schönes Ölbildnis des Kemptener Bürgers und Wohltäters Chr. Marco Calgèer.

16.6 Kornhaus

Das Kornhaus, ein herrlicher Barockbau aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, diente seinerzeit den Fürstäbten Kornhaus Speicher für den Kornzehnt.

16.7 Landhaus

Das Landhaus birgt einen prächtigen, reich mit Stuckornamenten im französischen Barockstile ausgeschmückten Saal, der unter den Fürstäbten von den Landhaus Landständen als Sitzungssaal benützt wurde.

16.8 Zumsteinhaus

Beachtenswert ist weiterhin das Zumsteinhaus, ein vornehm wirkendes Gebäude im Zopfstil (Louis XVI.) von bedeutender Schönheit mit wertvollen Balkongittern aus Schmiedeisen aus dem Jahre 1802. Daneben ein prächtiges schmiedeisernes Tor aus dem Jahre 1803.

16.9 Rotes Haus

Nicht minder bemerkenswert ist das Haus (das sogenannte Rote Haus) an der Südseite des St. Mangplatzes, das seinem Äußern nach in dem 17.Jahrhundert entstanden ist und als wohlerhaltenes Barockhaus eine Zierde des Platzes darstellt. Die Harmonie seiner schönen Verhältnisse, die beiden wuchtigen Frontgiebel mit den zierlichen Erkern und das Rotes Haus hübsche Hauptportal an der Durchfahrt, über dem das Wappen der Familie von Jenisch angebracht ist, verleihen dem Gebäude das charakteristische Gepräge eines vornehmen Patrizierhauses. Beachtenswert ist auch das schmiedeiserne Barockgitter im Torbogen.

16.10 Londonerhof

Der Londonerhof, früher ein angesehener Gasthof, mit hervorragend schöner Rokokofassade, wurde erbaut 1764. Sein jetziges Kleid erhielt er 1899. Die Pläne für die WiederherstellungLondoner Hof der Fassade fertigte Professor Emanuel Seidl in München.

16.11 Unoldhaus

Das Unoldhaus (neben der Wirtschaft zum goldenen Kreuz) ist bemerkenswert wegen des schönen Fresko-Gemäldes am Ostgiebel von dem Kemptener Kunstmaler Hermann Lang. Dieses Gemälde wurde angebracht, um daran zu erinnern, dass im Mittelalter in diesem Hause sich die Zunftstube der Schmiede befand. Das Unoldhaus wurde 1971 abgerissen. Beim Neubau wurde der Umriss des alten Hauses genau übernommen. Heute ist in dem Haus das Sportgeschäft Hapfelmeyer.

16.12 Kronenapotheke

Interessant sind fernerhin die Kronenapotheke (Ecke der Gerber- und Kronenstraße) und das Weinhändler Schachenmayer`sche Haus daneben, dann das Haus (Endres und Flohr) am Rathausplatze, die alle schöne, im Zopfstil bemalte Fassaden tragen. Kronenapotheke letzterwähnte Haus macht sich außerdem durch einen besonders hübschen und harmonischen Fassadenaufbau bemerkbar.

16.13 Rathausbrunnen

Der Rathausbrunnen mit seiner schönheitlich äußerst wertvollen Säule in den Formen der Spätrenaissance mit barocken Anklängen stellt ein Meisterwerk edlen Bronzegusses dar. Die Säule wurde 1601 in Weilheim gefertigt.

Aus der neueren und neuesten Zeit sind an Kunstdenkmälern zu nennen:

16.14 Kriegerdenkmal

Das Kriegerdenkmal, eine bedeutsame künstlerische Schöpfung des k. Professors Syrius Eberle in München, eines geborenen Pfronteners, und Das Kriegerdenkmal stand an dem heutigen Zentralen Omnibusbahnhof vor der heutigen Lyzeumsapotheke. Die Bronzefiguren wurden im zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.

16.15 Mangbrunnen

Der Mangbrunnen vor der protestantischen Kirche, ein Meisterwerk moderner Kunst von Professor Wrba, früher in München, nun in Dresden. Durch große Schönheit fesseln die mit bewundernswürdigem Können geschaffenen Urwaldtiere Mangbrunnen die edle, kraftvolle Gestalt des hl. Magnus. Von besonderem Reize aber sind die köstlichen Knaben, kleine Faunen und Tritonen, die sich auf den Urwaldtieren tummeln, und der naiv-drollige Schildträger auf der Spitze des Brunnendaches.

© Siegfried Neukamm