Meine Geschichte
Im Mai 1988 machte ich meine erste
Bergtour in diesem Jahr. Auf dem Gipfel angelangt, sah ich am gegenüberliegenden Berg
bunte Gleitschirme in das Tal segeln. Ich war so beeindruckt, dass ich am nächsten Tag in
den Anzeigen der Zeitschriften nach einer Gleitschirmschule suchte und nach Auswertung der
Angebote mich bei einer Schule im Allgäu anmeldete, die mit guter Ausbildung und
Übungsgelände warb. Im Juni war es dann so weit. An einem Montag saßen 12 Leute
(maximale Teilnehmerzahl) in dem Schulungsraum und lauschten gebannt den Worten des
großen Meisters, der uns versprach, in einer Woche von - fast - jedem Berg der Erde
fliegen zu können. Es klopfte an der Türe und zwei Hamburger, die am Wochenende
erstmalig Gleitschirmflieger gesehen hatten, fragten, ob sie an dem Kurs teilnehmen
könnten. Auch ihnen wurde noch Aufnahme gewährt. Dann kam die Vorstellung der
Teilnehmer. Alles gute Sportler: Tennis, Jogging, Free-Climbing, schwarzer Gürtel im Judo
usw. Ich, fast doppelt so alt, wie die anderen Teilnehmer, konnte als einziges Plus ein
schwaches Nichtraucher" hervorbringen. Skeptisch sah ich dem nächsten Tag
entgegen, wo es an den Übungshang ging. Zur Enttäuschung der Teilnehmer fuhren wir nicht
mit dem Sessellift, sondern mussten mit einem Gleitschirm am Rücken in der Junisonne den
Hang hochlaufen. Der Judokämpfer musste im Schatten des ersten Baumes erst einmal Pause
machen, da ihm die Luft ausging. Bergwandern konnte ich ja, also war ich einer der ersten
am Startplatz. Dann Aufregung bei unserem Fluglehrer. Der zweite Fluglehrer war mit dem
Lift hochgefahren, um schnell einen Flug zu machen. Offensichtlich hatte er sich bei der
Landung verletzt, denn er wurde mit dem Krankenwagen abgeholt. Aus dem nahegelegen Hotel
wurde eine Aushilfe organisiert. So begannen die ersten Flugversuche. Da der Kurs
überbesetzt und ein Teil der Funkgeräte ausgefallen war, kam ich nie in den Genuss,
über Funk geführt zu werden, wie das großartig im Prospekt versprochen war. Auch hatten
die Fluglehrer keine Zeit, die einzelnen Flugphasen zu besprechen. So arbeiteten wir uns
am Übungshang langsamer höher und auch die Flüge wurden höher und weiter aber auch die
Bäume kamen näher, was unserer Free-Climberin zum Verhängnis wurde, die als erstes
eine Baumlandung absolvierte. Beim Näher-Kennen-Lernen stellte sich heraus, dass
ihre Klettererfahrung sich auf eine Kletterwand in einer Frankfurter Turnhalle beschränkte.
Am Donnerstag war es dann so weit. Nach Übungsflügen und Theorie kam der erste echte
Höhenflug. Ich startete als erster. Diesmal von einer Startrampe. Man sah nur die
Vorderkante der Rampe und dann tief unten einen großen See. Also Anlauf, Kontrollblick
und laufen, laufen und dann plötzlich ist man in der Luft und fühlt sich frei und
glücklich. Rundumblick, sich orientieren und dann die ersten zaghaften Lenkmanöver. Die
Thermik reichte nicht zum Steigen, so steuerte ich vom Berg weg, flog meinen Vollkreis,
eine Acht und dann war ich auch schon auf Baumwipfelhöhe und flog den Landeplatz an.
Landung ca. 35 Meter vom Zielkreis entfernt. Große Erleichterung und Glücksgefühl!
Nacheinander kommen die anderen Teilnehmer angeflogen - bis auf unsere Französin, die den
Berg als zu (h)och" einstufte und wieder mit der Gondel herunterkam.
Am Abend wurden dann die Erfahrungen ausgetauscht und wir alle
fieberten dem nächsten Tag entgegen, wo der Prüfungsflug stattfinden sollte. Am
nächsten Tag war regnerisches Wetter. Wir fuhren zu der Bergstation und dann begann das
Warten. Um 13:00 Uhr fiel dann die Entscheidung: Kein Flug. Das bedeutete keinen
Befähigungsnachweis und nochmalige Anreise und Prüfungsflug. Deprimiert fuhren wir am
Samstag alle nach Hause.
Dann - eine Woche später - bekam ich Post vom Deutschen Aero
Club. Ich konnte es nicht fassen! Es war mein Befähigungsnachweis! Nun konnte ich von -
fast - jedem Berg der Erde fliegen.
Jetzt hatte ich zwar den Berechtigungsschein um von den Bergen
der Welt zu fliegen; doch mit dem Schein alleine ging das ja nicht. Also musste ein Schirm
gekauft werden. Nach langen Überlegungen fuhr ich wieder zu meiner Flugschule und kaufte
mir einen Birdwing" (schöner Name!). Der Leiter der Schule sagte, ich solle
zum Übungshang fahren, dort sei mein ehemaliger Fluglehrer, der mich in den Schirm
einweisen würde. Also fuhr ich zum Übungshang und begann den Aufstieg. Am Startplatz
versorgte gerade der Notarzt einen Schüler, der sich beim Startlauf das Bein gebrochen
hatte. Die Einweisung war kurz und da ein relativ starker Wind ging, sollte ich einen
Rückwärtsstart machen, was ich noch nie getan hatte. Der Fluglehrer wies mich ein und
schon war ich in der Luft, flog knapp an den Bäumen vorbei und landete - nicht gerade
sehr elegant - auf dem Landeplatz. Nun konnte ich also wirklich von jedem Berg fliegen.
Jetzt musste ich mir nur einen Berg aussuchen. Meine Vorstellung, das Bergwandern mit
einem genussvollen Flug anstelle eines langen Abstiegs zu beenden, wurde schnell zur
Illusion. Mit meiner wenigen Erfahrung wollte ich nicht alleine von einem unbekannten
Startplatz fliegen. Aber leider hatte ich niemand, der mit mir zum Fliegen ging. So kam
ich nur zu wenigen Flügen auf überfüllten Startplätzen. Zwischenzeitlich hatte auch
meine Freundin ihren Gleitschirmberechtigungsschein erworben (mit 30 Höhenflügen!) und
wir nutzten die wenigen Wochenenden mit schönem Wetter zum Fliegen. Die Entwicklung der
Gleitschirme war schnell fortgeschritten, so dass mein Birdwing zur Sehenswürdigkeit
wurde und ich aufgrund der geringen Gleitzahl (2,8 - gute Schirme hatten damals 6) einmal
sogar nicht den Landeplatz erreichte und von dem örtlichen Gleitschirmclub vom Platz
verbannt wurde. Also musste ein besserer Schirm gekauft werden. Nach Studium der
Fachliteratur kaufte ich einen Solution", der meine Probleme lösen sollte.
Doch schon am Übungshang hatte ich Startprobleme und der Verkäufer hatte keine Zeit für
eine Einweisung. Nun zeigte sich die Kameradschaft der Gleitschirmflieger. Als ich bei
einer Gleitschirmschule fragte, ob ich ihren Übungshang benutzen dürfe, sagte man mir,
dass ich dahin gehen solle, wo ich den Schirm gekauft habe. An einem Startplatz, fragte
ich einen Gleitschirmlehrer, der mit Schülern am Start war, ob er meinen Start
kontrollieren könnte. Als Antwort bekam ich, dass ich mich bei seiner Schule anmelden
müsste. Ich experimentierte mit dem Schirm und hatte keine rechte Freude, da ich den
Start nicht sicher beherrschte. In einem Jahr hatte ich so keine 20 Flüge
zusammengebracht.
In dem Prospekt eines Reiseunternehmens, das sich auf
Gleitschirmreisen spezialisiert hat, hatte ich eine Reise mit Gleitschirm nach Nepal
entdeckt. Entsprechend der Ausschreibung in dem Katalog wurden keine besonderen
Voraussetzungen gefordert. Die Reise war als leicht eingestuft. Also buchten meine
Freundin und ich diese Reise.
Um noch Sicherheit mit meinem Gleitschirm zu erlangen, meldete
ich mich für eine Woche "Gleitschirmfliegen im Zillertal" an. Die Anreise war
am Sonntag und es versammelte sich eine nette Gruppe allen Alters. Am Montag starteten wir
zu unseren ersten Flügen. Ziel war das Rofan-Gebirge und Ausgangspunkt der Ort Maurach.
Als erstes besichtigten wir den Landeplatz und der Gleitschirmlehrer erklärte uns den
Landeanflug und auf was es zu achten gibt. Dann ging es mit der Bergbahn nach oben und
nach einem Fußmarsch von ca. 20 Minuten waren wir am Startplatz, einem steil abfallendem
Hang, der in eine Steilkante überging. Wir saßen erst eine halbe Stunde und diskutierten
mit dem Gleitschirmlehrer über die besten Flugrouten und Möglichkeiten für Thermik. Die
ersten Schirme wurden ausgelegt und es begann das Starten. Außer unserer Gruppe waren
keine Flieger an dem Startplatz, so dass alles sehr diszipliniert und unter Kontrolle des
Gleitschirmlehrers ablief. Ich hatte einen guten Start, schwebte über die Steilkante und
hing ca. 1000 m über der Straße und der Ortschaft. Nach einem ruhigen Flug landete ich
auf dem Landeplatz, wo mich Kollegen mit der Nachricht begrüßten, dass sich ein Kamerad
bei der Landung den Knöchel gebrochen habe. Der Notarzt war schon alarmiert und die
Kursleiterin kümmerte sich um den Verletzten, so dass wir wieder mit der Bergbahn zu dem
Startplatz fuhren.
Bei meinem zweiten Start zog der Schirm ganz stark nach links.
Ich überprüfte den Wind, meine Schirmkappe und konnte nichts unregelmäßiges entdecken.
Trotzdem leitete der Schirm eine starke Linkskurve ein. Mit Gegensteuern konnte ich wieder
in etwa meine Flugrichtung erreichen, wusste jedoch, dass etwas nicht in Ordnung war. Nun
musste ich schnell entscheiden: Weiter Geradeausfliegen bedeutete, dass es über die
Steilkante ging; dem Linksdrall meines Schirmes zu folgen, bedeutete eine unsanfte Landung
an dem Steilhang. Ich dachte an meine Fallschirmausbildung und zog eine harte Landung
einem ungewissen Abenteuer in 1000 m Höhe über einer stark befahrenen Straße vor. Der
Hang kam schnell auf mich zu, ich nahm die Füße zusammen, zog die Bremsleinen des
Schirmes voll durch und prallte auf dem Hang auf. Ein starker Schlag auf die Füße,
Landefall - wie oftmals bei den Landungen mit dem Fallschirm - und ich stand wieder auf
zittrigen Füßen neben meinem Gleitschirm.
Der Gleitschirmlehrer und Kameraden kamen angelaufen. Ich
entdeckte einen Riss in meiner Hose über dem Knie, der sich leider auch am Knie
fortsetzte und bis nahe zum Knochen ging. Ich war über einen großen Stein abgerollt. Ein
Fliegerkamerad war Arzt und legte mir einen Verband an, brachte mich zurück zu der
Bergstation - 20 Minuten Fußmarsch, den ich ohne Hilfe zurücklegte und dann musste
ich
erst einmal viel trinken, um einem Schock vorzubeugen. Anschließend fuhren wir mit der
Bergbahn nach unten und mit dem Auto in das Krankenhaus. Der Chefarzt sagte nur:
"Gleitschirmflieger? Am besten gleich in die Psychiatrie, da gehört ihr hin!"
Seine Assistenzärzte stellten fest, dass die Wunde auch den Schleimbeutel im Gelenk
verletzt hat und eröffneten mir, dass sie nähen werden und ich einen Gips vom Knöchel
bis zur Hüfte bekomme. Während des Nähens berichteten die beiden Ärzte, dass
sie
ebenfalls Gleitschirm und dann Drachen geflogen sind, aber aufgrund der Verletzten, die
sie zusammenflicken müssen, aufgehört haben. Im Gegensatz zu den Ski- und Bergunfällen
seien die Flugverletzungen immer sehr unschöne Verletzungen - oft Wirbelbrüche.
Am Abend besuchten mich der Gleitschirmlehrer und Kameraden und
erzählten mir, dass sich an meinem Gleitschirm ein Schraubkarabiner geöffnet hatte und
dadurch der Schirm instabil war. Wäre ich weitergeflogen, hätte sich der Tragegurt
wahrscheinlich ganz gelöst und es hätte schlimm enden können.
So lag ich zwei Tage im Krankenhaus und hatte noch 10 Tage einen
Gips. Als der Gips entfernt wurde, war die Wunde am Knie relativ gut verheilt, wenn auch
das Abbiegen noch Probleme bereitete. Was jedoch weitaus mehr schmerzte, war mein rechter
Knöchel, der wohl stark geprellt war. Und das 5 Wochen vor meiner Nepalreise!
Paratrekking - ein Kunstwort aus Paragliding und Trekking - als
Bezeichnung für eine Trekkingtour, bei der auch Gleitschirm geflogen wird. So eine Tour
hatte ich für Nepal im Annapurnagebiet gebucht. Laut Reisebüro eine leichte Tour, die
auch für Anfänger geeignet ist. Vor der Abreise fand ein erstes Treffen der
Reiseteilnehmer im Büro des Reiseunternehmens statt, wo man sich kennerlernte und einem
mit Videos von vorhergehenden Reisen das Unternehmen schmackhaft gemacht und Flüge aus
bis zu 4.000 Meter Höhe angekündigt wurden. Ich war wieder der älteste Teilnehmer und
hatte mit Abstand die geringste Flugerfahrung. Außerdem humpelte ich noch gewaltig. So
startete ich Mitte Oktober mit gemischten Gefühlen nach Nepal.
Bereits am ersten Tag unseres Aufenthalts in Kathmandu fuhren wir
mit Taxis (mindestens so gefährlich wie das Gleitschirmfliegen) zu einem Berg im
Kathmandutal und begannen unseren Aufstieg. Es geht steil bergauf durch den Dschungel und
jeder beobachtet die Beine des Vordermanns, dass sich keine Blutegel festsaugen. Mit der
Gleitschirmausrüstung (ca. 13 kg) und der Hitze haben wir alle zu kämpfen. Dann nach
zweieinhalb Stunden haben wir den Startplatz erreicht. Eine Bergwiese, die mit hartem Gras
und niedrigen Büschen bewachsen ist. Unser Führer und Gleitschirmlehrer zeigt uns den
Landeplatz: ein Tempelhügel auf der anderen Talseite. Dazwischen der Dschungel und der
verdreckte Bagmati Fluss. Jeder trampelt sich in dem Gras einen Startplatz zurecht und ich
starte als zweiter. Guter Start und ich mache keine Experimente und fliege direkt den
Landeplatz an.
Über dem Dschungel kreisen Geier und schauen neugierig zu mir herüber.
Vermuten sie ein schünes Abendessen? Frisches Fleisch aus Deutschland? In der Nähe des
Landeplatzes befindet sich eine Fabrik, an deren Rauchfahne man die Windrichtung
abschätzen kann. Auf dem Landeplatz grasen Wasserbüffel und aus dem nahegelegenen Dorf
bewegen sich die Bewohner in einer Art Prozession auf den Landeplatz zu. Als ich über dem
Landeplatz bin, muss ich mich entscheiden, ob ich die Tempelruinen oder die Wasserbüffel
ansteuern soll. Die Leute bewegen sich wie mein eigener Schatten unter mir, um meine
Landung mitzuerleben. Als ich einen freien Platz gefunden habe, bin ich von Nepalis
umringt. Alles wird begutachtet, mein Helm, die Handschuhe, die Nylonkappe des Schirmes
und besonders die dünnen Leinen des Schirmes werden bewundert. Zum Glück landen die
anderen Flieger, so dass man von mir ablässt. Nachdem alle aus der Gruppe gelandet sind,
marschieren wir von der Dorfbevölkerung begleitet zu der nächsten Bushaltestelle und
fahren zurück in unser Quartier.
Am nächsten Tag beginnt der Trekk. Mit Bus geht es nach Pokhara,
wo wir die erste Nacht im Zelt verbringen. Unserer nepalesischer Führer - der einzige
Nepali mit deutscher Gleitschirmausbildung - ist eingetroffen und begrüßt uns. Ich liege
lange wach und überlege, ob ich weitere Starts riskieren soll. Mein Knöchel schmerzt und
die Start- und Landeplätze überfordern mein Können. So teile ich am nächsten Tag
unserem Führer mit, dass ich nicht mehr fliegen werde. Ein schwerer Entschluss, der mich
jedoch vor vielen Einzelentscheidungen befreit und die Landschaft und die Kultur genießen
lässt. So bleibe ich an den nächsten Tagen an den Landeplätzen und beobachte die
Flieger. Jeden Tag gibt es mehr oder weniger schlimme Verletzungen. Ich bin bei dem
Trekk immer in Begleitung eines Verletzten und die Teilnehmer vergleichen das Fliegen mit
"Russisch Roulett". Keiner weiß, ob er am Abend nicht verletzt ist. Oft kann
nach einem steilen Anstieg nicht mehr gestartet werden, weil Wolken aufgezogen sind.
Als wir vor der herrlichen Kulisse der Annapurna und des
Machapuchare in Chomro einige Tage verbringen, haben wir mehrere Ausfälle bei den
Fliegern. Zum Glück sind keine Knochen gebrochen, doch sitzen Hansi und unserer Führer
zwei Tage mit den Füßen im kalten Wasser, um die verstauchten Füße zu heilen. Lissi
kann nur noch auf einem Kissen sitzen, da sie beim Landeanflug von einer Böe erfasst
wurde und waagrecht in das Reisfeld klatschte. Nach einem weiteren Tag Zwangspause wegen
der Fußkranken, setzen wir unseren Trekk fort. Hansi muss von einem Träger im Korb
getragen werden, da er nicht laufen kann. Bei jedem Flug schrammt einer knapp an einer
Katastrophe vorbei. Auch die "Profis" haben Probleme bei den Startplätzen und
die Landungen in den Reisterrassen erfordern hohes Können. Insgesamt kommt jeder Flieger
auf ca. 7 Flüge. Kein Startplatz war über 3.000 Meter.
Ich habe noch den letzten Flug von Sarangkot hinunter zum
Phewa-See bei Pokhara mitgemacht, denn jetzt hatte ich ja die Reise und ein wunderschönes
Bergerlebnis hinter mir, so dass ich eine Verletzung riskieren konnte. Der Flug über die
Dörfer mit dem Blick auf den See war ein schöner Abschluss dieses Trekks.
Nach meinem Nepal-Urlaub kam ich nur noch wenig zum Fliegen. Nach
meinem Umzug in das Allgäu besuchte ich ein Ehepaar, das mit in Nepal war und in der
Nähe meines neuen Wohnorts wohnte. Harry begrüßte mich vor der Haustüre und bat mich
herein. Seine Frau lag im Bett. Sie hatte sich beim Gleitschirmfliegen von ihrem Hausberg
den Rückenwirbel gebrochen. Beide hatte ich in Nepal wegen ihrer Gleitschirmerfahrung
bewundert. Sie erzählte von ihrem Aufenthalt in der ReHa-Klinik, wo ständig ca. 10
Gleitschirmflieger in Behandlung sind; der Großteil im Rollstuhl! Sie sagte, jetzt kann
sie verstehen, dass ich in Nepal nicht geflogen bin.
Zwei Jahre später traf ich in Nepal unseren nepalesischen
Führer
und Gleitschirmflieger wieder. Ich fragte nach seinen Flügen und er sagte, dass
Gleitschirmfliegen in Nepal für ihn zu gefährlich ist und er damit aufgehört hat, da er
einen Beinahe-Absturz gehabt hat.
Im gleichen Jahr machte ich mit meiner Freundin eine Wanderung
auf die Alpspitze bei Nesselwang. Dort trafen wir einen einsamen Gleitschirmflieger, der
seinen Schirm ausgelegt hatte und auf günstigen Wind wartete. Bei einem Gespräch
erzählte er, dass seine Frau sich beide Beine beim Gleitschirmfliegen gebrochen hat und
nun auch nicht mehr Bergwandern kann. Er hatte gerade einen neuen Schirm gekauft (seinen
vierten) und wollte heute den ersten Höhenflug machen. Am Übungshang hatte er ihn schon
ausprobiert und es sei sein bisher bester Schirm. Wir verabschiedeten uns und beobachteten
beim Abstieg den Himmel, ob wir ihn zu Tal schweben sehen würden. Doch als wir am
Parkplatz waren, war er immer noch nicht gestartet. Am nächsten Tag lasen wir in der
Zeitung, dass ein Gleitschirmflieger an der Alpspitze kurz nach dem Start abgestürzt ist
und mit schweren Verletzungen in das Krankenhaus gebracht wurde.
Meine persönlichen Erwartungen an das Gleitschirmfliegen,
nämlich von (fast) jedem Berg der Erde fliegen zu können, haben sich nicht erfüllt. Die
Entwicklung immer leistungsfähigerer Schirme haben die Schirme immer größer und damit
schwerer werden lassen. Zusätzliche Auflagen der Naturschützer haben somit das
Gleitschirmfliegen auf wenige Berge mit Seilbahnen verbannt. An einem Wochenende geht es
dort zu wie auf einem Großflugplatz. Jeder möchte nach langer Anreise und warten auf
gutes Wetter zu seinen Flügen kommen. Es wird rücksichtslos vor einem der Schirm
ausgelegt, so dass man selbst nicht starten kann und dann von hinten angerufen wird:
"He, Opa, geh auf Seiten, ich will starten!" oder man trampelt einfach über den
ausgelegten Schirm, um zu starten. In keiner Sportart habe ich so wenig Kameradschaft
erlebt, wie beim Gleitschirmfliegen.
Die Schulen sind am Geldverdienen interessiert. Nach der Schulung
wird noch ein Schirm verkauft und dann ist es meistens auch schon vorbei, denn der Andrang
der Auszubildenden ist groß.
Gleitschirm-Magazine verleiten mit
Berichten über Rekordflüge und Flgen in exotischen Ländern Gleitschirmflieger mit
wenig Erfahrung zu gewagten Abenteuern. So kann ich Gleitschirmfliegen in Nepal nach
meiner Reise nur als absolutes Risiko bezeichnen. Die Gefahren wurden uns vor der Reise
nicht dargestellt. Nepal verfügt zwar über eine Hubschrauberrettung, die jedoch nur
fliegt, wenn vor dem Einsatz bar bezahlt wird. Der Hubschrauber fliegt auch nicht an die
Unfallstelle, sondern es gibt feste Hubschrauberlandeplätze, an die der Verunfallte
gebracht werden muss. Da es keine Telefon- und Funkverbindungen gibt, muss bei einem
Unfall ein Träger zu der nächsten Telegrafenstation laufen und von dort einen
Hubschrauber anfordern. Der Verletzte wird dann von Trägern im Korb auf dem Rücken zu
dem Landeplatz gebracht. Das können durchaus zwei Tagesmärsche sein! Und benötigt ein
Staatsbeamter einen der wenigen Hubschrauber, dann kommt er eben später. Bei einem meiner
Trecks war ein Engländer an Höhenkrankheit erkrankt. Als der Hubschrauber kam, war der
Mann schon seit zwei Tagen tot.
Alle diese Erfahrungen und Erlebnisse haben mich dazu bewogen,
das Gleitschirmfliegen aufzuhören, möchte ich doch noch oft in die Berge zum Wandern und
Skifahren. Beim Anblick der Gleitschirmflieger kribbelt es noch gewaltig, doch konnte ich
bis jetzt widerstehen.
Nachwort:
Auf diesen Artikel habe
ich eine Reihe von Zuschriften bekommen. Gleitschirmschulen und Ausbilder haben
sich in teilweise beleidigender Form negativ geäußert. Viele Schreiber haben
versucht, mich wieder zum Fliegen zu bringen. Es gab auch Zustimmung. Beim Lesen
des Beitrags muss man die Zeit beachten: Meine Ausbildung war 1988. Die
Schulschirme hatten eine Gleitzahl unter 2! Reserveschirme gab es nicht und
teilweise wurde ohne Helm geflogen. Dass hier Riesenfortschritte in Bezug auf
Sicherheit gemacht wurden, ist mir bewusst.