Langtang, Helambu

Die Rhododendrenwälder und die schneebedeckten, hohen Berge ließen mich nicht mehr los und ich saß ein Jahr nach dem Everest-Trekk wieder im Flugzeug. Als ich mich bei der Trekking-Agentur meldete, erfuhr ich, dass sich für den Trekk außer mir noch ein Engländer gemeldet hat. So fuhren am nächsten Tag Brian, ein 59 Jahre alter Engländer, und ich in einem vollbesetzten Kleinbus nach Dunche, dem Ausgangspunkt für unseren Trekk in das Hochtal von Langtang, in dem die schönsten Rhododendrenwälder Nepals zu finden sind. Am Abend machten wir noch einen kleinen Spaziergang, bei dem Brian feststellte, dass ich etwas schneller ging als er und so bestimmte er am nächsten Tag: "I`m going first" und auch der Guide musste hinter ihm gehen. Er marschierte sehr ausdauernd, mehrere Stunden ohne Pause und der Guide musste immer zum Rasten auffordern. Brian war ein sehr angenehmer Weggefährte und hatte auf ein Einzelzelt bestanden, so dass zwangsweise auch ich in den Genuss eines Einzelzeltes kam.

Team
Unser Team

Unser Trekk bestand aus dem Guide Tenseng, der schon den Everest bestiegen hatte, dem Sherpa Sandeman, dem Koch mit drei Küchenjungen und mehreren Trägern. Hier konnten wir die logistischen Fähigkeiten unseres Guides bewundern. Da man das Hochtal von Langtang wieder zurückwandern muss, wurden Lebensmittel und Brennstoff in Syabru ausgelagert und die Anzahl der Träger verringert. Für schwierige  Tagesmärsche wurden zusätzliche Träger angeheuert, um die Lasten auf mehr Leute zu verteilen. Dies funktionierte alles ohne Telefon, sondern allein durch Absprachen und Botschafter, die vorausgingen, um das alles zu organisieren.

Langtang

Bereits am ersten Tag gingen wir durch kleine Rhododendrenwälder, doch nachdem wir den Aufstieg in das Hochtal hinter uns hatten, marschierten wir durch die rot, weiß und rosa blühenden Wälder. Es war wie in einem Märchenwald.  Ab und zu sahen wir Affen, die nach uns schauten, sich aber nicht stören liesen.

Ab 3.000 Meter Höhe weichen die Eichen und Hemlocktannen Buschwerk und Berberitzen. Es wird deutlich kälter und rauer. Die Siedlungen bestehen hier aus Steinhäusern, die auch auf den Dächern Steine liegen haben, wie wir das von den Alpenhäusern kennen. Auch die Menschen sind hier zurückhaltender und die Männer wirken mit ihrem Krummdolch oft bedrohlich. Es fehlt die Fröhlichkeit, die ich von meinem ersten Trekk her kenne.

Hirte
Hirte in Langtang

Als wir Hirtinnen fotografieren wollen, werfen sie mit Steinen nach uns. Ein alter Hirte will sich nicht fotografieren lassen. Erst als Brian ihm seinen Dolch abkauft, seinen einzigen den er besitzt, wie er unserem Guide versichert, dürfen wir fotografieren. Bei unserem Weg zurück aus dem Tal treffen wir ihn an der gleichen Stelle, mit einem großen Dolch im Gürtel.

Nach anstrengendem Marsch erreichen wir die letzte Siedlung des Tals, Kyangin Gompa, auf 3.749 Meter Höhe. Es hat zu schneien angefangen und Kälte und Höhe lassen uns bald in die Schlafsäcke krabbeln. Am nächsten Tag ist Ruhetag und ich gehe bei diesigem Wetter an der Gompa vorbei zu dem Langtang Liru Gletscher. Weglos gehe ich um große Felsbrocken und durch trockene Wasserläufe bis zum Rand des Gletschers. Zurück genieße ich die Aussicht von der Gompa auf die uns umgebenden Berge. In der Käserei, die von einem Schweizer aufgebaut wurde, bekomme ich ein vorzügliches Joghurt und kaufe noch etwas Bergkäse, den wir zum Abendessen probieren. Am Nachmittag landet auf dem "Feldflugplatz" ein Hubschrauber, der einen 27- jährigen Engländer ausfliegt, der vor zwei Tagen an der Höhenkrankheit gestorben ist. Die vorhandenen Trekker sehen bedrückt dem davonfliegenden Hubschrauber nach.

Kyangin Gompa
Kyangin Gompa

Gosainkund

Reisanbau
Reisanbau

In zwei Tagesmärschen steigen wir wieder auf 1.550 Meter zum Fluss ab um dann in großer Hitze den Aufstieg nach Syabru zu beginnen, dessen Häuser wie Perlen an einer Schnur auf dem Berggrat in 2.400 Meter aufgereiht sind. Ein Mönch ist gestorben und die ganze Nacht werden Trommeln geschlagen und gesungen.

Syabru
Syabru

Unausgeschlafen geht es am nächsten Morgen auf 3.350 Meter zu einem herrlichen Aussichtspunkt auf das Langtang- und Ganesh-Gebirge.

Ganesh Himal
Die Berge Tibets

Nach Mittagspause in Seidelbast- und Rhododendrenbüschen wandern wir nach Sing Gompa, wo wir rechtzeitig eintreffen, um Kleider- und Körperwäsche zu machen.

Am Tag darauf wandern wir durch einen abgebrannten Wald, der in einen bewaldeten Höhenrücken übergeht, der immer wieder einen Blick auf die Grenzgebirge zu Tibet zulässt. Dann wechselt Wetter und Landschaft dramatisch. Ein kalter Wind kommt auf und wir nehmen unser Lunch im Schutz von großen Granitplatten ein. Den Wald haben wir weit unter uns gelassen und in alpinem Gelände steigen wir auf zu den heiligen Seen von Gosainkund, die der Sage nach entstanden sind, als Gott Shiva seinen Dreizack in den Felsen gestoßen hat. Es beginnt zu schneien und die Seen liegen einsam und zugefroren in der kahlen Felslandschaft.

Gosainkund
Der Ort Gosainkund mit einem heiligen See

Wir haben unser Tagesziel, Gosainkund 4.312 Meter, erreicht und vor uns liegt der 4.800 Meter hohe schneebedeckte Laurebina-Pass. Unser Guide entscheidet, dass wir noch heute über den Pass gehen, da bei anhaltenden Schneefällen eine Überschreitung am Morgen Probleme bringen könnte. So wird für die Träger Müsli gekocht und wir trinken heißen Tee und gehen im Schneetreiben den Pass an. Trotz des Schnees kommen wir gut voran und weichen noch vom Weg ab um den höchsten Punkt zu ersteigen an dem Gebetsfahnen flattern. Danach steigen wir in das Tal ab und bauen bei zerfallenen Häusern unser Lager auf. Die Nacht wird kalt und in der Frühe ist der Waschlappen steif gefroren. Dafür entlohnt ein strahlend blauer Himmel und der Schnee schmilzt schnell. Zunächst geht es in ein Flusstal hinunter und dann führt ein schwerer Anstieg durch den Rhododendrenwald auf den Grat von Thare Pati (3.597 Meter). Am nächsten Tag wandern wir auf einem steilen, stolprigen Weg zu dem Sherpa-Dorf Malemchigaon (2.560 Meter). Um unser nächstes Ziel zu erreichen, müssen wir erst zum Fluss absteigen, den wir auf einer wackeligen Hängebrücke in großer Höhe überqueren um dann schwitzend nach Tharke Ghyang aufzusteigen. Es ist heiß geworden und das Ziel will nicht näher kommen. Dann plötzlich steht der Gompa und das saubere Dorf vor uns. Unterwegs haben wir verlassene Häuser angetroffen und auch Klöster (Gompas) stehen leer; ihre Türen sind vernagelt. Unser Guide sagt uns, dass die jungen Leute in die Stadt abwandern, da die Felder die Familien nicht mehr ernähren.

Gompa

Der nächste Tag bringt uns einen trotz Regen erholsamen Trekkingtag, da wir auf einem Grat wandern, ohne viel Höhenunterschiede zu bewältigen. Dafür müssen wir am darauffolgenden Tag fast 2.000 Höhenmeter nach Tarnagmarang absteigen. Wir befinden uns in einem geschäftigen Handelsdorf mit großen Reisplantagen und Anschluss an eine befahrbare Straße. Nachdem wir unsere Zelte aufgebaut haben, lässt die Dorfjugend nicht lange auf sich warten und bestaunt uns und unsere Ausrüstung.

Helambu

Malemchi
Blick ins Malemchital

Nach dem Frühstück müssen wir uns bei dem Polizeiposten melden, der uns in sein Buch einträgt und unser Treckingpermit abstempelt. Er sitzt da in einem Adidas-Trainingsanzug und versucht verzweifelt seinen Füller in Gang zu bringen. Als es ihm nicht gelingt, geht er in ein Nebenzimmer zu einem Tintenfass und füllt feierlich seinen Füller. Dann malt er seinen Namen in unsere Unterlagen, wobei viel zu viel Tinte ausläuft, was ihn offensichtlich nicht stört. Insgesamt hat diese Prozedur eine halbe Stunde gedauert. Danach balancieren wir auf den Bewässerungsdämmen der Reisfelder zu dem Flussbett des Tamarang, das steinig und nahezu ausgetrocknet ist. Das schmale Rinnsal des Flusses überqueren wir mehrmals. Wir sind in einer neuen Landschaft angekommen. An den Ufern befinden sich Getreidefelder, strohgedeckte Rundhütten und wassergetriebene Getreidemühlen. Über uns ziehen Adler ihre Kreise und es wird sehr heiß. Bevor wie das Flussbett verlassen, machen wir Rast. Gabel und Messer sind so heiß, dass wir sie kaum anfassen können. Große, blaue Schmetterlinge umflattern uns und der Wald ist voll Leben. Wir steigen steil auf nach Pati Bhanjjyang (1.768 Meter) und dann noch ein steiler Anstieg und wir haben unseren letzten Lagerplatz auf diesem Trekk erreicht.

Hirtin
Hirtin

Unser Guide sagt, dass er im Dorf darauf hingewiesen wurde, dass der Lagerplatz gefährlich sei und so nehmen wir Kameras und Wertsachen mit in den Schlafsack und legen unsere Wanderstöcke griffbereit in das Zelt. Unsere Träger bauen ihr Lager um uns auf, so dass wir durch sie geschützt sind. Die Nacht verläuft ruhig und nach einem kurzen Anstieg zum Talrand beginnt der Abstieg auf einem Handelspfad zu einem künstlich angelegten See. Hier waschen die Träger ihre Kleidung, die ihnen von der Trekkingagentur zur Verfügung gestellt wurde und wir verteilen unser Trinkgeld. Dann folgt der Schlussabstieg entlang einer Wasser-Pipeline nach Sundarijal, wo unser Bus wartet.

Brian und ich
Unser Abschiedsfoto

Es dauert jedoch lange, bis unsere Träger eintreffen. Der Sherpa wird losgeschickt und findet sie betrunken in einer Lodge. Sie hatten das Trinkgeld zu wörtlich genommen.

Brian fliegt am nächsten Tag nach Indien weiter und ich verbringe noch drei Tage in Kathmandu, das immer dreckiger wird. Viele Leute gehen mit Mundschutz, da der Wind den Staub und den Dreck aufwirbelt. Mein Hotel ist in Bodnath und so sitze ich jeden Tag bei einem Bier auf der Dachterrasse des österreichischen Restaurants und betrachte den Stupa und das Treiben ringsum. In Pashupatinath besuche ich meine Souvenirverkäuferin, die ich seit meinem ersten Nepalurlaub kenne, in Thamel kaufe ich meine Souvenirs, auf den Stufen des Tempels am Durbar Square diskutiere ich mit einem Studenten und abends sitzt man mit anderen Treckern zusammen und erzählt sein Trekkerlatein. Eine herrliche Zeit.

Stupa von Bodnath
Stupa von Bodnath

© Siegfried Neukamm