Mount Everest

Als ich meine erste Nepalreise buchte, sagte die Dame vom Reisebüro, ich solle aufpassen, dass ich keinen Nepalvirus bekomme. Als ich fragte, wie sich der äußert, war die Antwort: "Man will immer wieder nach Nepal".  Und offensichtlich habe ich mich angesteckt. Die Bilder des kahlen Rhododendrenwaldes, die mächtigen Berge und die heiteren Menschen wollten mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte die Rhododendrenblüte erleben! So buchte ich für April 1993 einen Everest-Treck. In Kathmandu  war die gewohnte Hitze. Unser Ansprechpartner holte uns am Flughafen ab. Er eröffnete uns, dass wir einen Tag früher nach Lukla fliegen würden, da schlechtes Wetter angesagt sei und es im Everest Gebiet schneit. Die kurzen Hosen und T-Shirts können wir im Hotel lassen, da wir sie nicht brauchen werden. So bestiegen wir am nächsten Morgen die Maschine nach Lukla, die mit unserer Gruppe von 12 Leuten fast voll besetzt war. Nach dem Start kam eine Stewardess in der Landestracht mit einem Bastkorb und verteilte Bonbons. Der Flug nach Lukla ist von der Aussicht und den Flugbedingungen ein Erlebnis. Das Flugzeug muss einen 5.000 Meter hohen Pass überfliegen und da

Amadablan
Trägerinnen vor der Amadablan

kein Sauerstoff an Bord ist, kann der Pilot bei Schlechtwetter nicht höher gehen. D.h. der Flug ist nur bei gutem Wetter und Sicht möglich und die Flüge finden daher nur Vormittags statt. Die Landebahn geht bergauf und nach dem Aufsetzen rollt das Flugzeug auf eine Felswand zu und der Pilot muss die Maschine mit einer starken Rechtskurve ausrollen lassen. Am Flughafen warten Trecker auf ihren Rückflug und ein Heer von Trägern auf einen Job. Nachdem wir im "Flughafenrestaurant" Tee getrunken haben, kommt unser nepalesischer Führer und der Treck beginnt.  Wir haben in unserer Mannschaft auch zwei junge Mädchen als Trägerinnen.

Am zweiten Tag beginnt der Aufstieg nach Namche Basar, der Hauptstadt des Sherpalandes, und es fängt  leicht zu schneien an. Die letzten Träger kommen schneebedeckt in der Lodge an. Das Schneetreiben wird immer stärker und so fällt unsere nächste Tagestour aus, da die Träger nicht für die Wegeverhältnisse ausgerüstet sind. Unser Führer erklärt uns das in seinem gebrochenen Englisch und wir erfahren, dass es nicht um die Träger geht sondern um die Last, die sie tragen und die bei einem Absturz beschädigt würde oder verloren ginge. So machen wir zur Akklimatisation einen Ausflug ohne Gepäck in ein Seitental, wo wir in einem kleinen Dorf  bei Einheimischen Nudelsuppe essen und das selbstgebraute Bier versuchen müssen. Auf dem Rückweg haben wir einen schönen Blick auf das hufeisenförmig angelegte Namche Basar mit seinen sauberen, bunten Häusern. Ab 17:00 Uhr gibt es von dem nahen Wasserkraftwerk Strom, so dass man hier sogar - oder natürlich - einen Video-Verleih findet. Am nächsten Tag besichtigen wir das Sherpa-Museum und die kleine Zahnarztstation um danach den Treck fortzusetzen. Die Sonne scheint auf die beschneiten Bäume und alle vergessen wir unsere Kopfschmerzen und als wir den Mount Everest mit seinem Wolkenband sehen, ist die Freude groß. Hoch über dem Dudh-Kosi Fluss wandern wir auf die höchsten Berge der Welt zu. Jenseits des Flusses funkeln die Eisflanken des Tamtserku und auch der nun glitschige Weg stört uns nicht. Die Träger rutschen mit ihrer Last öfter aus aber sie helfen sich lachend wieder auf die Beine. Dann beginnt der Abstieg zu dem Fluss, den wir auf einer Hängebrücke überqueren. Bei Phunki machen wir Rast und bewundern die wassergetriebenen Gebetsmühlen: man lässt beten. Wie üblich ziehen am Nachmittag Wolken auf und als wir den Aufstieg nach Tengpoche beginnen, setzt wieder Schneefall ein. Die Gruppe zieht sich weit auseinander und wir sind alle froh, als wir in der Lodge sitzen, die mit internationalem Publikum gefällt ist. Vor dem Kloster haben Mönche mit Unterstützung von amerikanischen Touristen aus Brettern "Skier" gebastelt und versuchen Ski zu fahren.

Kan Taika
Yaks im Kloster Tengpoche

Ich wache in der Morgendämmerung frierend auf und sehe, dass klarer Himmel ist. Sofort ziehe ich mich an und kann Mount Everest, Lotse, Nuptse und Ama Dablan in der roten Morgensonne fotografieren, bestaunt von den schneebedeckten Yaks, die neben der Lodge lagern. Als ich meine Kameraden wecke und sie schlaftrunken hinausgehen, sind die Berge schon von den Wolken verdeckt. Durch Schnee, vorbei an weißen Rhododendrenbüschen mit dicken Knospen, gehen wir rutschend hinab zum Fluss, wobei die Landschaft von dem heiligen Berg der Sherpas, der Ama Dablan, beherrscht wird. Nach überschreiten der Hängebrücke steigen wir bei gutem Wetter nach Pengpoche auf. Die Lodge ist kalt und als es wieder zu schneien beginnt, krabbeln wir in unsere Schlafsäcke und dösen dem Abendessen entgegen. In der Nacht hat es weiter geschneit und alle Wege sind für uns unpassierbar geworden. So besichtigen wir das Kloster und bekommen eine Audienz bei dem Lama, der jedem eine Kata, den weißen Seidenschal, umhängt und uns für unseren Treck Glück wünscht. Dazu bietet er aus einer Blechdose Kekse an, eine Rarität in diesem entlegenen Bergdorf. Zwei Tage sitzen wir in dem Schnee fest und frieren, denn wegen Brennholzmangel wird der einzige Ofen in der Lodge nur zum Essen angeheizt. Nachts schneit es durch die Ritzen und unsere Schlafsäcke haben früh eine leichte Schneeschicht. Wir steigen wieder ab zum Fluss und in einem Schneesturm mit Blitz und Donner hoch zum Kloster Tengpoche, wo wir zu Mittag essen. Dann geht es gefährlich hinab zum Dudh Kosi. Viele von uns stürzen auf dem vereisten und schneebedeckten Weg und wir sind froh, dass es keine Verletzungen gibt. Der nächste Tag bringt wieder Sonnenschein und wir erleben die

Rhododendren
Rhododendron

Majestät der Berge, die über dem verschneiten Wald in den blauen Himmel ragen. In Namche Basar ist Markt und so werden noch reichlich Souvenirs gekauft (viel zu teuer, wie wir später in Kathmandu feststellen mussten).

Bei schönem Wetter wandern wir die nächsten beiden Tage zurück nach Lukla; im Tal blühen die Bäume und so komme ich noch zu  einer bescheidenen Rhododendrenblüte.

Die restlichen Tage in Kathmandu verbringen wir mit fachkundiger Führung und erleben Pashupatinath, Swayambhunath, Baktapur, Midi und Bodnath. Ein Einkaufsbummel in Thamel, Essen in dem österreichischen Restaurant und in Yak und Yeti, dem Luxushotel, runden einen ereignisreichen Treck ab.

Ich habe mit drei österreichischen Teilnehmern gute Freundschaft geschlossen und sie  in ihrer Heimat besucht, wo wir gemeinsam Bergtouren gemacht haben.




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© Siegfried Neukamm